- 2023 - der Chaos durch Licht und Schatten gespaltet

 Sonntag, 24. September 2023 um 10:30 Uhr

ccccHerbstlich. Nach etwa zwei-drei Wochen sommerliches Wetter, dürfen wir seit zwei Tage die stark nasse und nebelige Herbststimmung genießen. Wir sind wie beim Eingang in einer Eishölle: wir ziehen den letzen Schritt aus dem Sommer langsam zu uns bis auf die herbstliche Türkante der Hölle, bleiben dort eine Zeit lang verweilen und lassen uns dann ins Winter begleitet. 
Mit frisch gewaschenen Haaren und zur Enttäuschung unserer Katze, die sehr gerne auf meine Haare sich legt und drauf für die Ewigkeit bleibt, verlasse ich das Bett und lasse hinter mir die zerknitterte Bettwäsche. Ich lernte meine Haare erst mit 50 lieben und ich ließ es dann ungesperrt in die Länge wachsen, so dass ich mich jetzt, nach neun und halb Jahren seit dem letzten Haarschnitt, mich von seiner Weichheit und Zärtlichkeit sehr gerne verwöhne lasse.
Es herrscht absolute Ruhe im Haus. Vor der Haustüre ragen sich in die Höhe die jetzt über die letzte Nacht weißgewordene Berggipfeln und die Farbenkontrast ist ein Spektakel. Alles durchnässt durch die faulen aber konsequenten Regentropfen von gestern streckt sich lässig und formt eine Landschaft, die meine Seele immer noch berührt und begeistert, so dass ich, nach sechs Jahren im Gebiet, noch die Fähigkeit besitze, mich tagtäglich in all dies zu verlieben.
Ich trage mich unter dem knöchellangen Nachthemd aus alten Baumwolle durch den Flur bis in die Küche, wo alles still und kalt ist. Es ist kurz nach neun und ich genieße eine Sonntagsstille, die nicht unbedingt üblich ist. 
Ich hole Holz hinein und zünde ritualisch das Feuer in den alten Holzofen. Ich habe immer noch Freude daran, Feuer zu starten. Es ist wie ein Anfang eines Dialogs zwischen Holz und Flame und die beide erzählten mir Geschichten. Ich höre nur zu, ohne einen Inhalt finden zu wollen. Der Inhalt liegt in meinem Inneren, ich kann jedes Mal diejenige Geschichte auftauchen lassen, die gerade in der Situation am besten passt.
Ich lasse die Kaffeemaschine starten, obwohl ich mir lieber einen türkischen Kaffee machen würde. Bin aber zu faul dafür. Ich kann nicht mal sagen, dass ich den Geschmack des Kaffees mag, aber irgendwie schlüpfe ich jeden Tag darin. Eine fragliche Gewohnheit, die ich gerne abschaffen würde. Oder vielleicht doch nicht. Keine Ahnung.
Die rechte Hand spaziert lasciv durch die langen Haare von ihren Würzeln bis zur Taille, kein einziges Haar geht verloren. Gutes Zeichen.
Die Füße signalisiren, dass sie gerne kuscheln würden. So bringe ich sie zurück ins Schlafzimmer und stecke sie in den griechischen kuscheligen Lammwollschuhe, die ich im Sommer geschenkt bekam. Jetzt sind meine Füße zufrieden und wir können wieder in die Küche marschieren.
Ich zünde eine Palmölkerze im Blau. Blau steht für "Verstehen" und ich nehme wahr, das ich noch viele Sachen zu verstehen habe.
Inzwischen ist es schon halb elf und die Hühnen rennen von ihren Stall direkt ins Gemüsegarten, wo sie ab gestern offene Toren bekommen haben. Sie dürfen jetzt überall putzen und säubern, hoffentlich fressen sie all die Schneckenlarven. Nur die Tigerschnecken sollten heil bleiben, die sind meine Hoffnung für nächstes Jahr.
Sie scheren sehr eifrig über den bereits geernteten Kartoffelfeld - dieses Jahr durfte ich 48 Kilogram ernten, meist sehr schöne, knackige und große Kartoffel. Aber auch sehr viele kleine, so klein wie kleine Wallnüsse. Es hat zu viel geregnet, es war zu lange zu kalt und zu naß. Die Blumen und die Gemüse blieben etwa sechs bis acht Wochen in Rückstand.
Lustige Wesen diese Hühner ... neugierig, mutig, eifrig an die Sache. So eifrig, dass eine davon mein schönsten Salatkopf entdeckt hat und gleich zerstört ... ich könnte schimpfen, was ich auch so lustigerweise tue. Trotzdem belustigen mich die Hühner immer wieder, wie sie scharrenweise nach mir rennen, wenn sie mich nur sehen, als wäre ich die Mutti, die nach Einkaufen nach Hause kommt und sie wollen in meinen Einkaufstaschen stölbern und sich alles nehmen, was ihre Lust begehrt. Witzige Kreaturen, die bei uns in totaler Freiheit leben dürfen. Sie sind pflegeleicht und kümmern sich um unseren Eierreserven. Wir kümmern uns, dass es ihnen gut geht und Futter bekommen und einen Stall, wo sie in Sicherheit übernachten können. Dieser Sommer blieben sie auch verschont, alle haben den Raubvögeln überlebt. In letzter Sommer wurden uns etwa sieben Stück geraubt, spurlos.
Das Jahr ist nicht zu Ende, aber ich fühle, ich könnte es bereits bilanzieren. Es ist ein 7-Zahl-Jahr und wurde als eins der besten sein. Was ich bisher nicht erkennen kann. So viel Chaos aus allen Richtungen habe ich seit lange nicht mehr erlebt. Vor allem emotionellen Chaos. Im beruflichen und privaten Bereiche stand alles in einer erschöpfende Mischung. Wobei ich noch nicht erkennen kann, was mir das bringt. Nur zu viele schlaflose Nächte.

Das Jahr war geprägt außerdem von plötzlichen Änderungen.
Was ich am meisten genoß waren aber die Wanderungen. In Vergleich mit den letzten zwei Jahren, könnte ich 2023 ein Jahr der Bergwanderungen nennen. Darüber kam ich leider noch nicht dazu zu schreiben, was sehr Schade ist. Ich hoffe noch, im Oktober dies nachzuholen.

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